Am Mittwoch den 21.Mai.2025 kam Henriette Kretz extra aus Antwerpen angereist, um uns über ihre Vergangenheit zu berichten. Henriette Kretz ist Mitglied der Aktion „Kinder des Holocaust“, welche sich selber als „Vereinigung gegen Antisemitismus, Rassismus und politischen Extremismus“ bezeichnet.
Durch Herrn Meinikmann organisiert, war den Geschichts-Leitungskursen und weiteren Freiwilligen aus der Q2, sowie einer zehnten Klasse aus der SAS die Möglichkeit gegeben, Frau Kretzs Geschichte im Theaterraum anzuhören.
Die Veranstaltung setzte sich zusammen aus der Erzählung der persönlichen Geschichte der Zeitzeugin und einer anschließenden, sehr offenen Fragerunde.
Geboren wurde Henriette Kretz am 26.Oktober.1934 in einer jüdischen Familie in der ehemalig polnischen Stadt Stanislawów (Teil der heutigen Ukraine). Zu diesem Zeitpunkt hatte Hitler bereits seine „Machtergreifung“ abgeschlossen, doch Frau Kretz berichtet, wie sie in jungem Alter trotz dessen eine unbeschwerte Kindheit hatte. Sie lebte auf einem Hof mit ihrem Vater, einem jüdischen Arzt, und ihrer Mutter, einer jüdischen Anwältin.
1939, nach Beginn des Krieges, musste die Familie mehrmals in unterschiedlichste Dörfer fliehen und in ihrer Zwangssituation kamen sie auch nach Sambor. In dem Ghetto in Sambor, in welchem sie leben mussten, litt die Familie ständig Hunger und war verschiedensten Missständen und Gefahren ausgesetzt. Henriette Kretz meinte, dass sie verschiedenen Massenerschießungen nur wegen der Bemühungen ihres Vaters entkommen sei. Als kleines Mädchen konnte sie jedoch nicht viel von den politischen Beweggründen und dem Ausmaß der Situation im mittlerweile ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg verstehen.
Die folgenden Jahre waren für Henriette Kretz von Angst und ständigem Sichversteckenmüssen geprägt. Getrennt von ihren Eltern lebte sie bei einer Frau im Verborgenen, bis sie im Zuge einer sogenannten „Säuberungsaktion“ von deutschen SS-Soldaten entdeckt und in ein Gefängnis gebracht wurde.
Während der Zeit im Gefängnis war sie als Siebenjährige widrigsten Bedingungen ausgesetzt. Bis sie durch eine Bestechungsaktion ihres Vaters mit ihren Eltern im Ghetto wiedervereint wurde, lebte sie mit mehreren Frauen und einem Neugeborenen in einer Zelle.
Auf Grund verstärkter politisch-antisemitischer Maßnahmen war die Familie gezwungen sich von nun an bei Freunden, in einem kleinen Kohlekeller, zu verstecken. Den ganzen Winter 1941 verbrachten sie zu dritt auf kleinstem Raum, ohne Bewegungsfreiheit und Tageslicht. Einige Monate später wurden sie von SS-Mitgliedern entdeckt. Das Verstecken von Juden wurde zu dieser Zeit mit dem Tod bestraft und die Freunde wurden erschossen. Als die Familie Kretz von den Soldaten auf die Straße geführt wurde, wehrte sich ihr Vater und gab seiner Tochter gleichzeitig den Befehl loszulaufen, wodurch sie sich retten konnte. Im Laufen wurde ihr, als sie Schüsse hörte und das Schreien ihrer Mutter und dann nichts mehr, bewusst, dass sie von nun an auf sich allein gestellt war.
In einem Nonnenkloster und Weisenhaus, welches auch Kinder von Sinti und Roma und Juden versteckte, konnte sie bis zum Ende des Krieges Zuflucht finden. In der ganzen Familie Kretz, darunter die zehn Geschwister ihres Vaters, hatte nur sie und ein Onkel überlebt.
Nach dem Krieg ging Henriette Kretz mit ihrem Onkel und dessen Frau nach Antwerpen. 1956 bis 1969 lebte sie in Israel, bevor sie nach Antwerpen zurückging. Heute, im Alter von 91 Jahren, widmet sie ihr Leben der Aufklärung über die Gräueltaten des Holocausts, den Kampf gegen oppressive Staatssysteme und Ausgrenzung.
Nachdem Sie ihre persönliche Geschichte erzählt hatte, war sie bereit Fragen von den Zuhörenden offen zu beantworten.
Die Geschichte von Frau Kretz bewegte jeden Einzelnen im Theaterraum und regte zum Nachdenken über vergangene als auch gegenwärtige Unterdrückung, Gewalttaten und Ausgrenzung an.
Deutlich wurde, dass es ein großes Anliegen von Henriette Kretz war, der jungen Generation Aufklärung zu schaffen und an diese zu appellieren, sich gegen Hass und Ausgrenzung einzusetzen, denn jegliche Form von Diskriminierung sei unbegründet. Es gebe nur „eine Menschenrasse“.
(Marie Bauer und Tara Grimm, Q2)